Das Restless-Legs Syndrom (RLS) ist charakterisiert durch einen Bewegungsdrang der Beine, oft verbunden mit unangenehmen Sensationen, was hauptsächlich in Ruhe am Abend und in der Nacht auftritt, bei Aktivität bessert und meistens zu einer schweren Schlafstörung führt. Das RLS muss von anderen Ursachen von Missempfindungen und Bewegungsdrang der Beine und auch von anderen Ursachen einer Insomnie abgegrenzt werden. Wenn sich keine ursächlich behandelbare, sekundäre Form eines RLS findet, stehen therapeutisch die Beseitigung aggravierender Faktoren und die symptomatische Behandlung im Vordergrund. Während der langfristigen Pharmakotherapie des meist lebenslang bestehenden RLS muss insbesondere die medikamentös induzierte Augmentation (paradoxe Verschlechterung des RLS) unter dopaminerger Therapie frühzeitig erkannt und behandelt werden. Neue Erfahrungen mit α2σ-Liganden, Codein-Präparaten und Opiaten helfen bei der Langzeitbehandlung von schwerer betroffenen RLS Patienten.
Die Diagnose des RLS basiert auf vier obligatorischen klinischen Kriterien : 1) dem Drang die Beine zu bewegen, oft verbunden mit unangenehmen Sensationen, 2) einer Verstärkung in Ruhe, also in sitzender und liegender Position, 3) einer eindeutigen Besserung während aktiven Tätigkeiten und 4) einer Verstärkung der Beschwerden am Abend oder während der Nacht. Alle vier Charakteristika müssen vorliegen, sind aber noch nicht beweisend. Die RLS Diagnose soll deswegen möglichst zusätzlich gestützt werden durch weitere typische Charakteristika wie eine positive Familienanamnese, Ansprechen auf dopaminerge Therapie oder den Nachweis von periodischen Beinbewegungen im Schlaf (PLMS).
Zusatzuntersuchungen sind für die Diagnose des RLS nicht zwingend. Eine Polysomnographie ist aber nötig, wenn der Verdacht auf eine zusätzliche Schlafstörung, etwa ein Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) besteht. Zur Erfassung von PLMS stellt die ambulante Fussaktigraphie eine kostengünstige Alternative dar. Dabei sollte das Fehlen vermehrter PLMS an der Diagnose von RLS zweifeln lassen. Ohne die oben erwähnten klinischen Kriterien kann die Diagnose eines RLS nicht allein aufgrund von PLMS gestellt werden, da diese auch bei gesunden älteren Personen vorkommen. Die Differentialdiagnose von RLS variiert in Abhängigkeit vom Hauptsymptom. Bei Patienten mit Komorbiditäten wie einer Spinalkanalstenose oder Polyneuropathie lässt sich ein RLS oft schwer von den Symptomen dieser Erkrankungen abgrenzen. Vor einem Behandlungsversuch sollte hier mit dem Patienten geklärt werden, welches Zielsymptom behandelt wird.
Nach der Syndromdiagnose muss differenziert werden zwischen den teils kausal behandelbaren sekundären Formen und dem idiopathischen RLS, was eine fokussierte neurologische Untersuchung und Laboranalysen beinhaltet. Die bestbelegten Ursachen sekundärer RLS sind Eisenmangel (auch ohne Anämie), Niereninsuffizienz und Schwangerschaft, daneben sind Assoziationen mit Polyneuropathien oder Myelopathien beschrieben.
Nicht jeder Patient, der die Diagnosekriteren für RLS erfüllt, benötigt eine Behandlung. Ein Beschwerdeausmass von Krankheitswert wird angenommen, wenn die Symptome an mindestens 2-3 Tagen pro Woche vorhanden sind und den Patienten in seiner Lebensqualität beeinträchtigen. Zur Erfassung des Schweregrades der Erkrankung, die auch eine Verlaufsbeurteilung und insbesondere das frühzeitige Erkennen der Augmentation erlauben, stehen verschiedene Skalen zur Verfügung. Für die Praxis geeignet ist v.a. die relativ grobe Einteilung nach der John Hopkins Scale (nur am Abend im Bett : leicht ; ab 18:00 Uhr : mässig ; vor 18:00 Uhr : schwer). Für eine genauere Einteilung muss die internationale RLS Severity Scale eingesetzt werden (siehe www.restless-legs.ch).
Zunächst sollte nach Möglichkeit auf Medikamente und Genussmittel verzichtet werden, die RLS verstärken können. Eine kausale Behandlung ist vor allem bei sekundären RLS in Folge von Eisenmangel möglich. Obschon noch nicht abschliessend geklärt ist, welche Patienten mit RLS von einer Eisensubstitution profitieren, wird diese bei einem Ferritin < 50 µg/L empfohlen. Wenn orale Präparate zu einem unzureichenden Anstieg des Ferritins führen oder schlecht vertragen werden, stellt die intravenöse Gabe von Eisen eine Alternative dar.
Zur symptomatischen Behandlung des RLS stehen verschiedene Wirkstoffgruppen zur Verfügung (Tabelle 1). Die Auswahl des Präparates ist dabei abhängig vom Schweregrad des RLS, von Komorbiditäten und zu erwartenden Nebenwirkungen. Dopaminagonisten waren bis vor kurzem die Mittel erster Wahl. L-DOPA Präparate werden höchstens noch bei intermittierenden Symptomen einsetzt. Das Hautproblem aller dopaminerger Präparate ist die Augmentation. Darunter versteht man das Wiederauftreten oder eine rasche Verschlechterung (innert Wochen) von RLS-Symptomen unter Therapie : Die Beschwerden treten immer früher im Tagesverlauf z.B. schon am Nachmittag auf, die Latenz nach dem absitzen oder abliegen bis zum Auftreten der Symptome wird kürzer und zuvor nicht betroffene Körperregionen wie die Arme werden zunehmend betroffen. Öfters ändert sich dabei auch der Charakter indem die Beschwerden jetzt schmerzhafter sind oder mehr unwillkürliche Zuckungen auftreten. Von der Augmentation zu unterscheiden sind kurzfristig verstärkte Beschwerden im Rahmen der nicht seltenen natürlichen Schwankungen oder durch aggravierende Faktoren wie Blutverlust oder anti-dopaminerg wirkende Medikamente. Besonders häufig tritt die Augmentation bei regelmässiger Einnahme kurzwirksamer L-Dopa-Präparate auf, weshalb diese nur bei intermittierenden Symptomen bis zweimal wöchentlich eingesetzt werden sollten. Unter den Dopaminagonisten werden initial vor allem Ropinirol und Pramipexol eingesetzt. Tritt unter diesen eine Augmentation auf, ist eine vorsichtige Dosissteigerung mit einer zusätzlichen Dosis früher im Tagesverlauf noch möglich. Leider sind die Retard Formen dieser Substanzen (Sifrol ER und Requip-Modutab) in der Schweiz bei RLS nicht offiziell zugelassen (Antrag für Kostenübernahme an Krankenkasse nötig), sodass oft ein Wechsel auf das Rotigotin-Pflaster nötig wird, welches in bis zu 30% auf der Haut nicht vertragen wird. Reichen diese Massnahmen nicht aus, sollte eine Umstellung auf α2σ-Liganden, ein Codeinpräparat oder auf ein Opiat erfolgen. Weitere Nebenwirkungen, auf welche bereits vor der Verschreibung von Dopaminagonisten explizit hingewiesen, und bei den Kontrolluntersuchungen auch immer wieder abgefragt werden müssen, sind Nausea, Ödeme, nasale Obstruktion, orthostatische Hypotonie, Insomnie oder Tagesschläfrigkeit inkl. Sekundenschlaf am Steuer, sowie Impulskontrollstörungen wie Spielsucht, Kaufsucht oder Hypersexualität.
Heute werden weltweit zunehmend häufiger Antiepileptika aus der Gruppe der α2σ- Liganden wie Gabapentin-Enacarbil oder Pregabalin eingesetzt, welche in der Schweiz allerdings bei RLS (noch) nicht offiziell zugelassen sind. Unter diesen wurde bislang keine Augmentation beschrieben. Deren positiver Effekt auf neuropathische Schmerzen kann besonders bei sekundären RLS im Rahmen einer Polyneuropathie von Nutzen sein. Nebenwirkungen sind hier Tagesschläfrigkeit, Schwindel und Gewichtszunahme, selten die Verstärkung einer Depression. Zwecks besserer Verträglichkeit sollten diese Präparate wie die Dopaminagonisten langsam eindosiert werden.
Schliesslich stellen besonders für schwere Fälle Opiate und insbesondere Methadon eine Alternative dar, für die bei gut ausgewählten Patienten (kein Schlaf-Apnoe-Syndrom oder Suchterkrankung) ein guter Langzeiteffekt bekannt ist.
Eine Herausforderung stellt die Behandlung des RLS in der Schwangerschaft dar. Da für alle üblicherweise eingesetzten Präparate ausreichende Daten zur Sicherheit für den Fetus fehlen, kann hier neben der oralen Substitution eines Eisenmangels Magnesium versucht werden.
Bei einem Spitaleintritt sollten Patienten mit RLS auf ihre Erkrankung hinweisen, da eine Immobilisation zu vermehrten Beschwerden führen kann. Ist perioperativ eine orale Therapie nicht möglich, können transdermales Rotigotin oder Opiate zum Einsatz kommen.
Obschon zumindest das idiopathische RLS meist lebenslang bestehen bleibt und sein Schweregrad im höheren Alter eher zunimmt, treten immer wieder auch Phasen einer vorübergehenden Remission ein, weshalb bei fehlenden Beschwerden eine Therapiereduktion versucht werden kann. Umgekehrt können schwere Verläufe mit Therapieresistenz auftreten, weshalb neben einer guten Zusammenarbeit von Grundversorger und Spezialisten auch die Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe wertvoll sein kann (www.restless-legs.ch).
‣ RLS (Restless-Legs Syndrom) Diagnose kann aufgrund der 4 Kardinalkriterien vermutet werden. Periodischen Beinbewegungen im Schlaf (PLMS) und/oder ein initiales Ansprechen auf Dopaminergika unterstützen die Diagnose
‣ Positive Familienanamnese und früher Beginn (< 35 J) spricht für idiopathische Form. Abklärung der sekundären Formen : Eisenmangel (Ferritin < 50 µg/L), Hypothyreose, B12 Mangel, (Small-Fibre-) Polyneuropathie ?
‣ Jegliche zusätzliche Schlafstörung inkl. Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) verschlechtert das RLS und muss therapiert werden
‣ Schweregrad quantifizieren mit RLS-Skala (wichtig zum Erkennen der Augmentation !)
‣ Kontraindizierte Medikementen ? Neuroleptika, Antiemetka excl. Motilium. Vorsicht bei Antidepressiva, Antihistaminika, Betablocker
‣ Probatorische Karenz von Kaffee, Alkohol, Schokolade, Nikotin
‣ Die Auswahl der Medikamente erfolgt nach dem RLS-Schweregrad und der Ko-Morbiditäten
‣ Augmentation : früherer Beginn, Ausbreitung nach proximal, kürzere Wirkungsdauer der Medikamente