Tumorzellen können Hormone produzieren und damit spezifische klinische Krankheitsbilder verursachen : zum Einen handelt es sich dabei um endokrine Zellen, die über eine autonome Hypersekretion klinisch manifest werden, wie beispielsweise ein Insulin-produzierendes Insulinom mit Hypoglykämien oder ein Katecholamin-sezernierendes Phäochromozytom mit paroxysmalen Krisen (Tabelle 1) ; zum Anderen können aber verschiedene Zelltypen, die normalerweise keine Hormone produzieren, durch eine ektope Hormonproduktion zu endokrinen Krankheitsbildern führen, wie z.B. eine Hyperkalzämie durch PTHrP-Sekretion durch ein Mammakarzinom oder ein Multiples Myelom, oder ein Cushing-Syndrome durch eine ektope CRH- oder ACTH-Produktion durch ein kleinzelliges Bronchuskarzinom (Tabelle 2). Eine dritte Variante sind die neuroendokrinen Tumoren, die eine Vielzahl von Hormonen synthetisieren und in fast allen Organen entstehen können, da neuroendokrine Zellen praktisch überall vorkommen.1
Die Plasma-Glukose wird beim Gesunden in einem engen Bereich von 3.3 bis 5.6 mmol/l reguliert im Zusammenspiel Insulin versus Glucagon und Adrenalin. Für die Diagnose « Hypoglykämie » ist die Whipple-Trias unabdingbar, d.h. Plasma- Glukose unter 2.5 mmol/l und neuroglykopenische Symptome, die auf Zufuhr von Glukose prompt bessern. Die Hypoglykämie kann ab einem Blutzucker von 3.8 mmol/l symptomatisch werden mit vegetativen Symptomen, wie Zittern, Schwitzen, Palpitationen und Hunger, unter 2.5 mmol/l kommen dann die neuroglykopenischen Symptome hinzu (Diplopie, verschwommenes Sehen, Schwindel, Denkstörungen, Verwirrtheit und Verhaltungsstörungen bis hin zu Koma und Krampfanfällen). Tumor-assoziierte Hypoglykämien sind verursacht durch den Hyperinsulinismus bei Insulinomen oder extrapankreatische Tumore, die gelegentlich erst im Nachhinein diagnostiziert werden : erstere werden durch hohe Insulin- und C-Peptidspiegel, letztere durch tiefe Insulin- und erhöhte IGF-2 Spiegel im Fastentest diagnostiziert. Die Hypoglykämie wird mit der Tumorresektion korrigiert. Falls dies nicht möglich ist, sind Diazoxid, Glukokortikoide, Octreotid oder Glukagon Therapieoptionen.
Die Hyponatriämie ist bedingt durch eine inadäquate Sekretion des Antidiuretischen Hormons (SIADH) und betrifft 1 bis 2 % aller Tumorerkrankten. Die klinische Manifestation ist oft schleichend mit Kopfschmerzen, Nausea, Gangstörungen, Verwirrtheit bis hin zu Krampfanfällen und Koma. Die Diagnose wird beim klinisch euvolämen Patienten gestellt durch Hyponatriämie und Hypoosmolalität im Plasma und einer Urin- Osmolalität über 100 mosmol/l (d.h. nicht maximal verdünnter Urin). Hinter der ektopen ADH-Sekretion (und gelegentlich auch des atrialen natriuretischen Peptids, ANP) stehen vorwiegend bronchiale und pleurale Tumoren, aber auch Mamma- Karzinome und Lymphome. Die Therapie muss sich nach dem Auftreten der Hyponatriämie-Symptomatik richten, bei akuter neurologischer Symptomatik erfolgt die rasche Korrektur mit hypertoner Kochsalzlösung, bei chronischer Hyponatriämie die langsame Korrektur (maximal 12 mmol/l pro 24 Stunden) mittels Flüssigkeitsrestriktion und allenfalls Vaptane, da andernfalls als Komplikation eine akute («pontine») Demyelinisierung als Komplikation droht.2
Das häufig fulminante Cushing-Syndrom geht der Tumordiagnose in der Regel voraus und wird durch die ektope Sekretion von ACTH oder CRH (Corticotropin Releasing Hormon) verursacht, meistens durch kleinzellige Bronchuskarzinome oder ein Bronchialkarzinoid. Paraneoplastische Cushing-Syndrome machen ca. 10 % der Hyperkortisolismus-Fälle aus und sind in der klinischen und labormässigen Manifestation vergleichbar. Wenn eine Tumorheilung nicht möglich ist, kann mittels Metyrapon, Mitotane oder Ketokonazol der Hyperkortisolismus reduziert werden.
Eine Tumor-assoziierte Hyperkalzämie betrifft bis zu 10 % der Patienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden und steht für eine schlechte Prognose. Bei weitem die häufigste Ursache ist in über 80 % die Sekretion von PTH-related Protein (PTHrP) durch Karzinomzellen (=humorale Hyperkalzämie), seltener ist die osteolytische Aktivität von Skelettmetastasen verantwortlich oder die Calcitriol-Produktion von Lymphomen. Klinisch stehen Akutsymptome wie Nausea, Erbrechen, Apathie und Nierenversagen im Vordergrund im Gegensatz zur Stein-, Bein- und Magenpein bei der klassischen Hyperparathyreoidismus-bedingten Hyperkalzämie. Die Therapie umfasst primär Schwemmen mit 0.9 % NaCl-Lösung und Bisphosphonate, zusätzlich können Glukokortikoide und Calcitonin gegeben werden.3
Die Gynäkomastie beim Mann wird durch ein Testosteron- Östrogen Ungleichgewicht verursacht und findet sich bei fast 70 % in der Pubertät und bei 1 % der Erwachsenen. Die Tumor- assoziierte Gynäkomastie kann durch die Östradiol-Produktion eines Leydigzell-Tumors oder durch die Sekretion von humanem Choriongonadotropin durch Keimzelltumoren bedingt sein. Bei atypischer klinischer Präsentation können mit der laborchemischen Bestimmung von Östradiol und beta-HCG diese Ursachen gesucht werden.
Adrenocorticale Karzinome sind seltene Erkrankungen mit einer Inzidenz von 1 bis 2 pro Million Einwohner und können Teil eines hereditären Syndroms sein wie der multiplen endokrinen Hyperplasie (MEN) Typ 1 oder des Wiedemann-Beckwith Syndroms, oder auch sporadisch auftreten. Rund 2/3 der Karzinome sind hormonaktiv und sezernieren Cortisol und Androgene (DHEA-S und Testosteron) und führen damit zu einem sich rasch entwickelnden Cushing-Syndrom oder zur Virilisierung bei der Frau, bei der neben Hirsutismus und Androgenisierungszeichen vor allem die neu auftretende Akne nach dem 30. Lebensjahr zu den entsprechenden laborchemischen (z.B. Speichelcortisol um Mitternacht, Serum-Testosteron) und bildgebenden Abklärungen führen sollte, damit diese aggressiven Tumoren möglichst in einem Frühstadium diagnostiziert werden können.