Die Diagnose Delirium kann bei bis zu 25% der akut hospitalisierten Erwachsenen gestellt werden. Die Differentialdiagnose für den akuten Verwirrtheitszustand ist breit und umfasst cerebrovaskuläre und infektiöse Erkrankungen, Intoxikationen (vor allem Alkohol und Medikamente), metabolische Ursachen wie die hepatische oder urämische Enzephalopathie, und eine ganze Reihe von endokrinen Aetiologien,1 die im Folgenden bezüglich klinischer Präsentation, Diagnostik und Therapie besprochen werden und in Tabelle 1 dargestellt sind.
Die Hypoglykämie ist eine häufige Ursache eines akuten Verwirrtheitszustandes und als Nebenwirkung einer Therapie mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen bei Diabetikern gut bekannt. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von weiteren Ursachen, die eine Hypoglykämie auslösen können, wie Alkohol, Medikamente, extreme körperliche Anstrengung, endokrine Erkrankungen, wie M. Addison oder das Insulinom, Glukogenspeicher-Krankheiten oder eine Sepsis, eine schweren Herz-, Nieren- oder Leberinsuffizienz und ein Zustand nach Magenbypass-Operation. Die Hypoglykämie-bedingten Veränderungen (Neuroglykopenie) sind auf Glukosezufuhr in der Regel rasch reversibel, nach Krampfanfällen können postiktale Lähmungen (Todd’sche Paresen) gelegentlich Stunden andauern und verdoppeln beim Typ 2 Diabetes das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse und Mortalität.2
Die diabetische Ketoazidose und das hyperglykämische Koma sind bekannte Aetiologien einer diabetischen Entgleisung, weniger bekannt ist die alkoholische Ketoazidose, die durch die Kombination Alkohol und Malnutrition zustande kommt und im Wesentlichen bedingt ist durch die reduzierte hepatische Glukoneogenese, Thiaminmangel und Dehydratation. Die Therapie umfasst hochdosiert Thiamin, Volumengabe, und Auffüllen der Glykogenspeicher (nach Thiamingabe !), und Korrektur der Elektrolyte (Kalium, Phosphat und Magnesium).
Die Hyponatriämie ist die häufigste Elektrolytstörung 3 und unterdiagnostiziert bei Verwirrtheitszuständen. Wichtige klinische Beurteilungskriterien sind der Volumenstatus (Euvolämie ?) und das Auftreten der Symptomatik (akut ? chronisch ?) ; laborchemisch müssen ein M. Addison und ein Myxödem ausgeschlossen werden, und mit der Bestimmung von Natrium/Osmolalität im Serum und im Urin kann die Ursache definiert werden. In der Reihe der Ursachen steht das SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) beim euvolämen Patienten an erster Stelle, häufig medikamentös verursacht (Thiazide, Antidepressiva, NSAID) oder bei kleinzelligem Bronchuskarzinom. Die akut aufgetretene Hyponatriämie muss rasch behandelt werden mit hypertoner NaCl 3%, die chronische Hyponatriämie dagegen langsam (mit maximal 12 mmol/l Korrektur des Serum-Natriums pro 24 h), damit nicht eine subkortikale Demyelinisierung provoziert wird (Abbildung 1).
Bereits eine leichte Hyperkalzämie kann zu Depression und Adynamie führen und schwere Hyperkalzämien über 3 mmol/l können durchaus hinter einem deliranten Syndrom stecken. Häufige Ursachen sind ein primärer Hyperparathyreoidismus, vor allem wenn mit Dehydratation oder Thiazid-Diuretika assoziiert, oder eine paraneoplastische Hyperkalzämie (durch die humorale Sekretion von PTH-related Peptide) vor allem bei Mamma- und Bronchuskarzinom. In der akuten Therapie kommen Volumengabe und Bisphosphonate zur Anwendung, bei der chronischen Therapie das Kalzium-Mimetikum Cinacalcet und Bisphosphonate, weiter ist auf genügende Trinkmenge, Korrektur des Vitamin D-Defizites und das Vermeiden von Thiaziden, Lithium und Vitamin A-Präparaten zu achten.
Eine hypertensive Enzephalopathie kann im Rahmen eines Phäochromozytoms auftreten, das bei rund 0.1% der Hypertonien diagnostiziert werden kann. Hinweisend sind Paroxysmen in der Anamnese, wie anfallsweise Kopfschmerzen, Palpitationen bis hin zu Raynaud-Symptomatik und Panikattacken. Die zuverlässige Laboruntersuchung ist die Bestimmung der freien Meta/Normetanephrine im Blut. Die Therapie ist die Adrenalektomie nach Vorbehandlung mit Alpha-Blockern. Da ein Viertel der Phäochromozytome genetisch verursacht sind, ist eine entsprechende molekulargenetische Abklärung heute empfohlen.
Die schwere Hyperthyreose kann ein Delirium verursachen durch einen massiven Hyper-Sympathikotonus mit hohem Fieber, Desorientiertheit und hyperkinetischem Herzversagen («thyroid storm»). Die intensivmedizinische Therapie umfasst die intravenöse Gabe von Thyreostatika, Betablockern und Glukokortikoiden, sowie aggressives Cooling.
Die schwere Hypothyreose kann psychiatrische Symptome verursachen wie Abgeschlagenheit, Depression bis hin zu deliranten und psychotischen Zuständen («myxedema madness») oder Koma, was ebenfalls intensivmedizinisch mit i.v. Thyroxin, Glukokortikoiden und kardiovaskulärer Begleittherapie angegangen werden muss.
Die erste Patientin, die der Neurochirurge Harvey Cushing mit dem nach ihm benannten M. Cushing operierte, hatte er in einer psychiatrischen Klinik rekrutiert. Bereits eine einmalige hochdosierte Prednisolongabe kann eine «Steroidpsychose» auslösen, und unter chronischem Hyperkortisolismus (endogen als auch durch exogene Glukokortikoidtherapie) entwickeln rund 75% der Patienten kognitive Störungen, 20 bis 50% eine Depression und 3% eine Psychose.
Die klinischen Präsentation mit akuten Kopfschmerzen, Nausea/Emesis, progredienter Müdigkeit, Kollapstendenz und Verwirrtheit kann durch einen akuten Ausfall der Hypophysenfunktion bedingt sein, zum Beispiel im Rahmen eines Hypophysen-Apoplexes bei vorbestehendem Makroadenom oder im Rahmen eines grossen Blutverlustes (Sheehan-Syndrom) oder als Nebenwirkung einer Ipilimumab-Therapie (lymphozytäre Hypophysitis). Im Vordergrund steht die hochdosierte Hydrocortison-Substitution und je nach Lokalbefund neurochirurgische Massnahmen.