Der Begriff Trauma stammt aus dem Griechischen und heisst wörtlich Wunde. Für den Mediziner ist der Begriff eindeutig und heisst Verwundung durch Unfall oder Gewalteinwirkung. Die Erfassung des Psychotraumas und dessen Folgen gestaltet sich bisweilen schwierig, weil Denken, Fühlen, Handeln, Abwehr/Schutzmechanismen, somato-psychosomatische Aspekte synchron und diachron beteiligt sein können. So gibt es z.B. auch kein Kriterium, das eindeutig auf sexuellen Missbrauch rückschliessen lässt.
Dennoch können wir Anhaltspunkte formulieren, die dem Arzt ein besseres Verständnis der Patienten und deren Symptome erlauben.
In der Psychotraumatologie unterscheidet man zwischen der traumatischer Situation, der traumatischen Reaktion und dem Traumaprozess. Eine breite Palette von Ereignissen können psychotraumatische Folgen haben. Wer hätte gedacht, dass ein Mord auch für den Täter traumatisierende Wirkung hat oder dass ein Herzinfarkt nach Prof. Znoj Hansjörg das Angstniveau einer traumatischen Erfahrung erreicht. Es wurde versucht, wissenschaftlich die objektiven Belastungen der Ereignisse zu quantifizieren. Während nur die wenigsten Menschen sich von einer Folter erholen, hängt die Verarbeitung einer Naturkatastrophe ab unter anderem von der Vorgeschichte eines Betroffenen, dem aktuellen Zustand und der sozialen Unterstützung während des Ereignisses und danach.
Im Zustand der Schockerfahrung wird vom Betroffenen nicht mehr differenziert, um so mehr ist die Differenzierung von Seiten der Fachpersonen angesagt.
In einem akuten Schock kann eine Zombireaktion ein wichtiger Schutzfaktor gegenüber überwältigenden Affekten sein. Der Arzt hilft, wenn er entpathologisiert und Sicherheit durch Normalität vermittelt. Hält der Zustand jedoch mehr als 6 Wochen an, sprechen wir von einer posttraumatischen Belastungsstörung, die dringend einer psychotherapeutischen Behandlung bedarf. Dies umso mehr wenn Intrusionen von Traumabildern oder Dissoziationen mitbeteiligt sind.
Prof. Ulrich Egle hat ausführlich belegt, wie sexueller Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung in der Kindheit und Jugend Risikofaktoren für spätere somatische Erkrankungen verdoppeln können.
Mit Recht wird heute das Sprechen über sexuellen Missbrauch enttabuisiert. Der sexuelle Missbrauch ist aber soziologisch gesehen im Vergleich zur Misshandlung und der Vernachlässigung quantitativ von geringerer Bedeutung.
Im klinischen Alltag kann dem Arzt helfen, wenn er den Ersteindruck eines Patienten wahrnimmt, reflektiert und gezielt handelt statt unbewusst agiert bzw. mitagiert. Zum Beispiel wirkte eine Patientin wie ein Mauerblümchen und wollte ernst genommen werden. Ich registrierte dieses erste Gegenübertragungsgefühl im Hinterkopf. Das bewusst empathische Eingehen auf die Patientin brachte schwere frühkindliche Vernachlässigung und Misshandlungen an den Tag.
Wichtige Hinweise für mögliche Traumatisierung geben Dissoziationen, Konversionen, Intrusionen, Hyperarousal, Angstträume, Ablehnung des Körpers bzw. der somatischen Untersuchung.
Beispiele von verzögert auftretenden Folgestörungen sind häufig bei Traumatisierungen und können heute aufgrund des Körpergedächtnisses besser verstanden werden. Relativ banale Ereignisse können eine Triggerfunktion übernehmen und vor langer Zeit erlebte Traumata reaktivieren. So konnte ein autoritärer Chef bei einer Verkäuferin eine funktionelle Abasie (Gangstörung) auslösen. Erst das Aufdecken u.a. durch Träume erklärte den Zusammenhang und half das Symptom aufzulösen. Diese Patientin wurde als 5-jährige vom Freund ihres Bruders fast ertränkt, was ihr aber nicht mehr bewusst war. Die Bearbeitung des Traumes half den Zusammenhang zwischen der in der Kindheit erlebten Todesangst, der Ohnmachtserfahrung gegenüber dem Chef und der Verdrängung und Somatisierung verstehen.
Eine Ich-Spaltung erschwert oft das Verständnis des Traumas. Ein gut funktionierender Ich-Anteil steht einem das Trauma verleugnenden gegenüber.
▸ In der Psychotherapie geht es darum, Vergangenheit und Gegenwart klar zu differenzieren, das Ich soweit zu stärken, dass das Trauma allmählich akzeptiert und eingeordnet werden kann
▸ Oft empfiehlt es sich zuerst eine aufdeckende und später eine integrierende Psychotherapietechnik einzusetzen, v.a. wenn kein Bewusstsein über das traumatische Ereignis vorliegt
▸ Über den Körper können präverbale Traumatas bewusstgemacht werden. Ebenso wichtig ist die Versprachlichung des Geschehenen mit dem Psychotherapeuten, der Einbezug der bildlichen und emotionalen, bewussten wie unbewussten Ebene
▸ Weil ein Trauma eine tiefe Erschütterung des Selbst- und Weltverständisses ist, kommt dem Vermitteln von Sicherheit bei dem akuten Trauma wie auch bei der oft lange dauernden Psychotherapie höchste Priorität zu.