In der Schweiz sterben jährlich ca. 15 000 Menschen an Krebs, Krebs ist somit die Hauptursache der Sterbefälle zwischen dem 25. und 64. Lebensjahr.1 In den westlichen Ländern steigt das Überleben für die meisten Krebserkrankungen in den letzten Jahren jedoch an, was Hoffnung zulässt.
Krebs entsteht, wenn sich das Erbgut verändert und nicht wieder repariert wird. Ein auf den ersten Blick gleiches Krankheitsbild wie ein Brust- oder Lungenkrebs kann auf molekularer Ebene unterschiedliche Ursachen haben.
Mithilfe diagnostischer Tests am Tumorgewebe und in Zukunft auch im Blut (« liquid biopsy »), lassen sich heute einzelne Patientengruppen mit identischen molekularbiologischen oder genetischen Merkmalen identifizieren. Solche « prätherapeutische » Tests erlauben die Tumortherapie in vielen Fällen gezielt zu planen und effizient durchzuführen (mit hohen Ansprechraten). Erworbene Resistenzen limitieren allerdings oft den klinischen Nutzen, so dass durch Analysen am Rezidivtumor nach weiteren therapierbaren Alterationen gesucht wird. Bei den häufigsten Tumoren wie dem Mammakarzinom, dem fortgeschrittenen Lungen-, Darm-, Nierenzell – und Hautkrebs verfügen wir über etablierte « personalisierte » Therapien, die für Patienten einen Zugewinn an Lebensqualität und Lebenszeit ermöglichen.2
Am Lungenkarzinom soll die Entwicklung beispielhaft dargestellt werden. Die Raucheranamnese, das Tumorstaging und die konventionelle Histologie stehen immer am Anfang der Abklärungen und therapeutischen Überlegungen beim Bronchuskarzinom. In 85–90 % liegt ein nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (non-small cell lung cancer, NSCLC) vor. Die Inzidenz der kleinzelligen Lungenkarzinome (small cell lung cancer, SCLC) nahm in den letzten Jahren stetig ab, der Anteil liegt heute bei 15 %. Die Gruppe der NSCLC wird histologisch weiter unterteilt in Adenokarzinome (60 %), Plattenepithelkarzinome (30 %), grosszellige Karzinome (10 %) und die seltenen sarkomatoiden und adenosquamösen Karzinome. Beim fortgeschrittenen NSCLC werden, basierend auf molekularen Veränderungen, weitere therapierelevante Subgruppen differenziert. Bei etwa 30 % aller Adenokarzinome (bis 80 % bei Nichtrauchern) finden sich Veränderungen des Genoms (Mutationen, Translokationen), die für die Tumorentstehung relevant sind und ein Ansprechen auf verfügbare molekulare zielgerichtete Therapien voraussagen lassen. Solche genetische Alterationen werden auch Driver-Mutationen genannt. Überlebenskurven für Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom mit und ohne Driver-Mutationen sowie mit und ohne gezielte Therapie sind in Abbildung 1. Dargestellt.3
Bei fortgeschrittenen und/oder metastasierten Adenokarzinomen der Lunge wird beim Vorliegen einer « aktivierenden » EGFR-Mutation in der ersten Therapielinie ein EGFR-Tyrosinkinasehemmer (TKI) eingesetzt. Zur Verfügung stehen die TKIs Gefitinib (Iressa), Erlotinib (Tarceva) und Afatinib (Giotrif). Bei ALK (anaplastic lymphoma kinase) – rearrangierten NSCLC sind Crizotinib (Xalkori) und Ceritinib (Zykadia) therapeutisch wirksam und in der Schweiz zugelassen.
Die Rezidivtherapie beim NSCLC erfolgt wiederum Biomarker stratifiziert. Re-Biopsien lohnen sich, um erworbene Resistenzen gegen Gefitinib und Erlotinib zu erfassen (EGFR T790M findet sich bei > 50 % der untersuchten Fälle) für welche wiederum zielgerichtete Medikamente zur Verfügung stehen (Bsp. AZD9291 und CO-1686 respektive Rociletinib).
Für die in Tabelle 1 beschriebenen Driver-Mutationen beim NSCLC gibt es heute zielgerichtete Medikamente, es wird erwartet, dass die Liste in den kommenden Jahren deutlich länger wird.
▪ Molekulare Marker erlauben tumorspezifische Therapien bei einigen häufigen soliden Karzinomen
▪ Gezielte Therapien haben in der Regel schneller eintretende und höhere Ansprechraten als konventionelle Chemotherapeutika
▪ Die prätherapeutische Testung erlaubt eine bessere Nutzung der Ressourcen
▪ Erneute Testung bei Resistenzentwicklung (Rezidiven) lohnt sich im Hinblick auf eine Therapieanpassung